27. Okt. – 6. Nov. 2016

Die Kasseler Musiktage 2016

 

Staunst du?

 

 

Veranstaltungskalender

 

Einladung zum Staunen

Aus dem Nichts erhebt sich eine singende Stimme, sie öffnet einen immer breiter werdenden Klangraum, der bald von mehreren Stimmen erfüllt wird, die um uns und durch uns zu schweben beginnen. Claudio Monteverdis Mariensvesper ist Klangtheater für den Kirchenraum. Im großartigen "Duo Seraphim" singen drei Tenöre zunächst einzeln mit extrem virtuosen Verzierungen, doch ihre Stimmen vereinen sich, wenn der dreifaltige Gott als einer gepriesen wird. Jedes Wort musikalisch genau zu deuten, das hat der Komponist aus seinen eigenen Opern übernommen, die um 1600 die Gattung Oper erst erschaffen haben. Dieses sakrale Hörtheater vom Beginn des 17. Jahrhunderts lässt uns noch heute erstaunen und wird in der frisch renovierten Martinskirche die Kasseler Musiktage 2016 eröffnen.

Es ist erstaunlich, dass das Staunen heute weitgehend den Kindern überlassen wird. Dabei macht doch der Moment, der unsere Sinne überwältigt, unser Leben reicher und vielfältiger, in welchem Alter auch immer wir uns befinden. Diesem besonderen Moment folgen oft weitere, in denen wir uns Fragen stellen und dem Erstaunlichen auf die Spur kommen möchten. Zahlreiche Philosophen, wie z.B. Aristoteles, betrachten das Staunen als Anfang des Denkens.

Lässt sich die individuelle Erfahrung des Staunens teilen? Die Kasseler Musiktage haben Künstlerinnen und Künstler eingeladen, deren Begeisterung ansteckend wirkt, die außergewöhnliche Klangwelten eroberten und Bekanntes neu entdecken lassen. Der Finne Kimmo Pohjonen gewinnt dem so vertraut wirkenden Instrument Akkordeon völlig neue Töne ab, in dem er es elektronisch bearbeitet und in ungewohnte Zusammenhänge stellt. In Kombination mit einem Streichquartett führt das Akkordeon unsere Ohren und Augen auf neue Pfade. Wer bei Kimmo Pohjonens Uniko und dem faszinierenden Kinofilm über ihn allzu sehr ins Staunen gerät, erfährt im Gespräch mit dem Künstler so manches Geheimnis und kann in einem Workshop mit ihm selbst zum Akkordeon greifen, das möglicherweise schon länger in einer Ecke schlummert.

Was bei den ersten Kasseler Musiktagen 1933 "Gesellige Musik" hieß und vom Arbeitskreis für Hausmusik veranstaltet wurde, findet damit heute seine zeitgemäße Fortsetzung. Zum Staunen werden auch die vier Elemente verführen, die in einer feinen spanischen Barockoper zu singen beginnen.

Zum ersten Mal entsteht bei den Kasseler Musiktagen in Koproduktion mit dem Staatstheater Kassel eine eigene Inszenierung in der Alten Brüderkirche. Los Elementos, dieses zauberhafte Werk, ist an vier Abenden zu erleben.

Barocke Virtuosität verbreitet auch der Schweizer Blockflötist Maurice Steger, der das hr-Sinfonieorchester als Solist und Dirigent animieren wird. Mit atemberaubenden Koloraturen und getragenen Linien "singt" der Echo Klassik-Preisträger mit seinen unterschiedlichen Flöten. Musiker des hr-Sinfonieorchesters sind zudem mit zwei opulenten Meisterwerken der Kammermusik von Ludwig van Beethoven und Franz Schubert ein weiteres Mal zu Gast in Kassel.

Große Werke ihres Repertoires wird auch das Apollon Musagète Quartett präsentieren. Die polnischen Musiker reizen gern risikoreich die Grenzen der Interpretation aus und sind in ihrem Spiel im Stehen ganz unmittelbar zu erleben. Mit Herbert Schuch kommt einer der gefragtesten Pianisten unserer Zeit nach Kassel und erstaunt mit sakralen Klängen am Klavier. Sein Konzert steht in Verbindung zum Symposion in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Akademie Hofgeismar, das dem Staunen nachhorchen wird.

Die vielseitige Freude am Musizieren in Kassel spiegeln mehrere Veranstaltungen wieder: Mozarts Bearbeitung von Händels Messias mit der Musikakademie der Stadt Kassel Louis Spohr, ein A-Cappella-Programm mit dem Vocalensemble Kassel und der Festgottesdienst mit der Kantorei Kirchditmold in der Martinskirche, wo Pfarrer Temme seine Predigt dem Staunen widmen wird. Ich möchte Sie einladen, sich von den Künstlerinnen und Künstlern der diesjährigen Kasseler Musiktage zum Staunen bringen zu lassen. Den Förderern und Sponsoren danke ich herzlich für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung. Gemeinsam mit Ihnen freue ich mich auf zahlreiche erstaunliche Erlebnisse.

Ihr Olaf A. Schmitt
Künstlerischer Leiter